BGE_RHEIN MAIN

Kigi
Search

1. Mai – Tag der unsichtbaren Arbeit

Banner am Justiziabrunnen in Frankfurt mit der Aufschrift: 1. Mai Tag der unsichtbaren Arbeit, und yum Bedingungslosen Grundeinkommen

Dieser Tag ist eine Erfindung der Industriegesellschaft, in der menschliche Tätigkeit zu einer Ware wurde, zu einer der Ressourcen, die für die Produktion von Waren und Dienstleistungen für den Markt benötigt wurden. Zu einem „Kostenfaktor“ in der kapitalistischen Buchhaltung.

Für die wachsende Mehrheit der Bevölkerung wurde der Verkauf der eigenen Arbeitskraft zur Eintrittskarte in die Welt des Marktes: es war das (Einzige), was sie verkaufen konnten, um im Gegenzug die Waren und Dienstleistungen zu erwerben, die sie zum Leben brauchten, aber nicht selbst produzieren konnten, oder zu welchen ihnen der Zugang versperrt war (weil sie Privateigentum eines anderen waren). Entweder fehlte ihnen dazu das notwendige Land (Nahrungsanbau) oder der Zugang zu Rohstoffen (Holz, Steine, Lehm, Sand, Stroh, Flachs, Schafwolle, etc..), um sich eine Behausung zu bauen oder Kleidung zu fertigen. Der „Markt“ organisiert(e) sehr bald den Zugang zu all diesen Ressourcen, indem er Waren daraus machte, die gegen Geld zu haben waren.

Die Veränderung der Familienstruktur machte es gleichzeitig für die Menschen, die nur noch über ihre Arbeitskraft verfügten, immer schwieriger, die (unbezahlte: also außerhalb des Marktes) Betreuung und Erfüllung der Bedürfnisse von Kindern, Alten oder Kranken und Menschen mit Behinderung zu organisieren, weil in der Kleinfamilie nur noch ein oder zwei Erwachsene (im „besten Alter“) die ganze Verantwortung für die Familienarbeit trugen. Während die Industrialisierung die Arbeitsteilung auf allen Gebieten immer weiter vorantrieb, verdichtete sich die für das Leben notwendige Arbeit im Privatleben immer mehr und mündete in der Entstehung der „Hausfrau“, die in der Kleinfamilie ganz alleine für alles Unbezahlte verantwortlich war.

Begriffe wie „Doppelbelastung“ oder gar „Dreifachbelastung“ wurden geprägt. „Vereinbarkeit von Job und Privatleben“, „Mental Load“, etc.. versuchen die Tatsache zu beschreiben, dass immer mehr Lebenszeit von immer mehr Menschen vom Markt aufgesaugt wird, um fremdbestimmt Waren (und Dienstleistungen) zu produzieren, die diese Menschen dann konsumieren müssen, damit es „Wachstum“ gibt. Damit immer mehr „Fachkräfte“ und sonstige „Ressourcen“ benötigt werden. Denn die Markt-Wirtschaft braucht „Arbeitsplätze“ (=den Kauf und Verkauf von menschlicher Tätigkeit), damit die Mitglieder der Gesellschaft so tief wie nur möglich als Produzenten und Konsumenten in das Marktgeschehen eingebunden werden, indem sie sich ihren „Lebensunterhalt verdienen“ und das damit verdiente Einkommen durch Konsum wieder in den Markt einspeisen.

Und dennoch gibt es noch marktfreie Bereiche. Immer noch scheint die Sonne, ohne eine Rechnung zu schicken, regnen die Wolken, ohne dass wir dafür bezahlen müssen, bestäuben Insekten die Pflanzen und singen die Amseln jeden Frühling ganz kostenlos. Noch immer zahlt kein Mensch dafür, dass er oder sie geboren und jahrelang von anderen großgezogen wird.

Und Menschen großziehen braucht Zeit, Geduld, Kraft, kostet schlaflose Nächte, Nerven, …und besonders in einer Marktwirtschaft auch eine Menge Geld. Denn sehr vieles muss bezahlt werden, wie Nahrung, Miete, Kleidung, Mobilität, Telephon und Internet (auch wenn kein Schulgeld fällig wird), usw..

Warum wird nur als „Arbeit“ angesehen, was z.B. Eltern in Lohnabhängigkeit leisten? Also nur Tätigkeiten, die als Waren gehandelt werden?

Am 1. Mai plädieren wir für die Sichtbarmachung der unsichtbaren Arbeit. Für die Einführung eines existenzsichernden Bedingungslosen Grundeinkommen, weil es den Menschen die Freiheit gibt, sich für Tätigkeiten zu entscheiden, die sie aus selbstbestimmten Motiven heraus ausüben möchten. Weil für ihren Lebensunterhalt gesorgt ist, und dieser nicht davon abhängt, dass sie ihre Arbeit verkaufen. Weil sie aber gleichzeitig die Freiheit haben, ihre Arbeit, falls sie es möchten, dennoch zu verkaufen.

Für uns ist der 1. Mai der Tag der unsichtbaren Arbeit, weil wir der Meinung sind, dass eine Tätigkeit nicht nur dann als wertvoll und wertschöpfend anerkannt werden soll, wenn sie verkauft wird. Dass der Preis, der für diese Tätigkeit bezahlt wird, tatsächlich ihrem Wert entspricht.

Wie jedes Jahr haben wir auch 2023 den 1. Mai auf der Straße begangen, um uns dafür einzusetzen, dass endlich Existenzsicherung und Tätig-sein entkoppelt werden. Die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens erscheint uns dafür eine wichtige sozialpolitische Maßnahme. Dass das BGE darüber hinaus auch eine wichtige Maßnahme wäre, um die notwendige ökologische Transformation sozial zu gestalten, macht seine Einführung in unseren Augen noch viel dringlicher.

Weitere Artikel