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Programmbeschwerde zum Tim Klüssendorf (SPD)-Interview

Unser Mitglied Eric beschwert sich ein weiteres Mal über die Berichterstattung der Massenmedien zum Thema “Arbeit”, hier ein Interview mit dem designierten SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf. Eine Übersicht über unsere Medienbeschwerden und die Reaktionen darauf findet sich hier.

21.05.2025
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich lege hiermit förmlich Beschwerde ein gegen Ihre Berichterstattung vom 18.5.25 in "Bericht aus Berlin", siehe https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1467874.html
Tim Klüssendorf, SPD, des. Generalsekretär, zur Flexibilisierung der Arbeitszeit
(eingebettet hier: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/debatte-arbeitszeit-deutschland-100.html)

In diesem Interview sagt Herr Klüssendorf: "...ich glaube, dass man präzise darauf eingehen muss, wer eigentlich wieviel arbeitet in diesem Land..." und tut genau das dann gar nicht. Er redet vielmehr wieder einmal nur über erwerbsförmige Arbeit, während die notwendige unbezahlte Arbeit für ihn völlig irrelevant zu sein scheint (Haus- und Sorgearbeit, politisches und gesellschaftliches Engagement etc.)[1].
Damit, dass Sie dieser krassen Verzerrung der Realität eine Bühne bieten, ohne die Fakten richtigzustellen, verstossen Sie gegen journalistische Grundsätze und gegen Ihren Auftrag.

Klüssendorf sagt auch, er "würde sich gerne der Frage widmen, wer macht welche Arbeit" - und tut genau das dann nicht. Die unbezahlte Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird, ist ihm egal. Als Journalisten wäre es Ihre Aufgabe, solch ein Blendwerk zu entlarven und Ihre Zuschauer darüber in Kenntnis zu setzen, wer wirklich welche Arbeit macht.

Eine andere gravierende Frage im Zusammenhang mit der (Erwerbs-)Arbeit ist, dass Arbeit an sich ja kein Selbstzweck sein kann, sie dient dazu Bedürfnisse zu befriedigen. Es ist aber so, dass erstens manche Erwerbsarbeit mehr Schaden als Nutzen stiftet[2] und zweitens die Befriedigung von Bedürfnissen nicht unbedingt mit der abgeleisteten Arbeitszeit steigt. Es gibt eben auch den Aspekt der Arbeitseffizienz und wer Menschen verheizt, leistet auch "der Wirtschaft" einen Bärendienst. Dass es in der politischen Diskussion aber primär darum geht, die Bevölkerung möglichst lange zu "beschäftigen", sollte kritischen Journalist*innen ebenfalls zu denken geben. Immerhin kann unsere Gesellschaft nicht existieren ohne die unbezahlte Sorgearbeit, die Demokratie nicht ohne bürgerschaftliches Engagement.
Dass unsere politischen "Eliten" diesen Bereichen der Wirtschaft (=Organisierung von Bedürfnisbefriedigung) großen Schaden zufügen, indem sie versuchen, die Bevölkerung möglichst stark und möglichst lange in Erwerbsarbeit zu drängen, muss bei allen Demokrat*innen Besorgnis erregen.

[1] Es werden in Deutschland mehr Arbeitsstunden unbezahlt geleistet als bezahlt: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Zeitverwendung/Ergebnisse/_inhalt.html

[2] Der Ökonom Günther Moewes spricht von "Schadarbeit" (https://www.nomen-verlag.de/produkt/arbeit-ruiniert-die-welt/), der US-Kulturanthropologe David Graeber von "Bullshit Jobs" (https://de.wikipedia.org/wiki/Bullshit_Jobs).

Mit freundlichen Grüßen
Eric Manneschmidt