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Freiheit, Geborgenheit und Würde

von Michael Husen

Ein gutes Motto für die Grundeinkommensbewegung (im dänischen oft: “Bürgerlohn”-Bewegung) könnte FREIHEIT, GEBORGENHEIT UND WÜRDE sein. Das klingt wie das bekannte “Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit” aus der französischen Revolution im Jahr 1789, und das ist auch kein Zufall. Beide entspringen aus den Werten des modernen Zeitalters nach der Zeit der Aufklärung. Man könnte sagen, dass FREIHEIT, GEBORGENHEIT UND WÜRDE eine Aktualisierung des ursprünglichen revolutionären Mottos ist, welches besser im Einklang ist mit den Werten der modernen Zeit, wie sie z.B. in der UN-Menschenrechtserklärung von 1948 zum Ausdruck kommen. Und wie die bürgerlichen Revolutionen in Frankreich und den USA am Ende des 18. Jahrhunderts relevant und aktuell waren, so ist eine Grundeinkommens-(Bürgerlohn-)Revolution heute relevant, um die humanistischen Gedanken und Ideen, auf denen die westliche Welt aufbaut, zu vollenden.

FREIHEIT war historisch gesehen die Befreiung von einer feudalen Klassengesellschaft, in der Menschen an den Stand gebunden waren, in den sie geboren wurden, und einer Hierarchie von Königs- oder Fürstenherrschaft, Adelsmacht, Gutsherren, Klerus und Zunftwesen unterworfen. Sie konnten außerhalb der Grenzen, die ihnen gesetzt waren, nichts unternehmen. Freiheit bedeutete eine Befreiung des Individuums, des einzelnen Menschen, der seine Freiheit bekam, seinen Beruf und seinen Wohnsitz selbst zu wählen und seine eigene Existenz und seinen eigenen Platz in der Gesellschaft zu schaffen. In Dänemark umfasste das unter anderem Gewerbefreiheit, allgemeines Schulwesen und die Aufhebung der Leibeigenschaft, schließlich auch das Stimmrecht zur Teilhabe an einer demokratischen Regierungsform. Freiheit war eine Freiheit von den Begrenzungen, welche die Gesellschaft vorher der Entfaltung der Möglichkeiten der/des Einzelnen gesetzt hatte.

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE, der “Bürgerlohn”) baut weiter auf diesen Freiheitsgedanken auf, geht aber einen Schritt weiter: Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen als sichere und unverlierbare Einkommensgrundlage hat die/der Einzelne eine bessere Möglichkeit ihre/seine eigene Wahl im Arbeitsleben zu treffen und zum Beispiel ungesunde, gefährliche, sinnlose oder unwürdige Arbeitsverhältnisse abzulehnen. Und auch eine bessere Möglichkeit, um eine eigene Unternehmung zu gründen und der eigene “Arbeitgeber” zu werden.

GEBORGENHEIT ist die Sicherheit und die Gewissheit, dass man immer wird überleben können, auch wenn man erwerbslos oder von Krankheit oder anderem Unglück, das einer/m zustoßen könnte, getroffen würde. In den meisten modernen Gesellschaften gibt es einen Konsens darüber, dass es immer ein Sicherheitsnetz für die Menschen gibt, die es brauchen. Der Wohlfahrtsstaat in den Nordischen Ländern gibt die am meisten ausgebaute Sicherheit und Geborgenheit, die die Welt gesehen hat. Er ist nicht ohne Grund Vorbild und Gegenstand der Bewunderung für den Rest der Welt. In den Nordischen Wohlfahrtsstaaten haben alle ein gesichertes Recht auf Gesundheitsleistungen, Schulbesuch und Ausbildung und im Falle wirtschaftlicher Not springt die Gesellschaft mit der benötigten Hilfe ein.

Das Bedingungslose Grundeinkommen verwirklicht diese Geborgenheit noch umfassender: So wie Schulbesuch, Gesundheitswesen, Straßen und Infrastruktur selbstverständliche und kostenfreie Güter zur Verfügung aller sind, wird ein BGE auch allen eine grundlegende wirtschaftliche Existenzgrundlage geben. Allen wird eine Grundtransferleistung sicher sein, ein Betrag, der automatisch jeden Monat auf dem Konto eingeht, unabhängig von anderen Einnahmen und unabhängig davon, ob man arbeitet oder nicht.

WÜRDE ist ein Begriff, der einen herausragenden Platz in der UN-Menschenrechtscharta einnimmt. Sie wird im allerersten Artikel genannt, der sagt, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Wir sollen gleichbehandelt werden und mit derselben Würde. Nicht nur sollen alle Freiheit und ein Recht auf wirtschaftliche und andere Sicherheit haben, man hat auch das Recht darauf, würdig behandelt zu werden. Der Begriff der Würde ist in den letzten Jahren in steigendem Maße in den Fokus gekommen. Die Politiker*innen sprechen über Würdereformen, darüber, dass ältere Bürger*innen im Pflegeheim würdigere Verhältnisse haben sollen. Man spricht über würdigere Behandlung benachteiligter Bürger*innen. Minderheiten melden sich zu Wort und verlangen, mit mehr Respekt und Würde behandelt zu werden. Zuletzt haben wir zum Beispiel gesehen, dass die Grönländer*innen darauf aufmerksam machen, dass sie sich lange wie Menschen zweiter Klasse behandelt und angesehen gefühlt haben. Nun fordern sie, als gleichwertige Menschen anerkannt zu werden.

Der “Bürgerlohn” (das Bedingungslose Grundeinkommen) setzt genau diesen Fokus auf Würde. Es respektiert die Würde offenkundig wahrhaftiger, dass jeden Monat automatisch ein Betrag auf dem eigenen Konto eingeht, als dass man darum zuerst ansuchen muss. Es geht immer ein Stück der Würde verloren, wenn man von Angesicht zu Angesicht vor einer/m Sachbearbeiter*in stehen oder einen Antrag auf finanzielle Unterstützung ausfüllen muss. Wenn ALLE BÜRGER*INNEN in der Gesellschaft, reiche wie arme, automatisch jeden Monat einen Grundbetrag erhalten, dann ist daran nichts Stigmatisierendes mehr. Dann ist es ganz normal und man wird nicht herausgehoben als “Verlierer”, als eine/r, die/der nicht alleine klarkommt. Alle sitzen im selben Boot und haben dieselbe Würde, was die finanzielle Grundeinnahme angeht.

FREIHEIT und GEBORGENHEIT sind lange schon Mainstream in der modernen westlichen Gesellschaft und wir betrachten sie allmählich als gegeben. Es ist an der Zeit, dass auch WÜRDE mit ins Programm kommt. Also lasst uns für Freiheit, Geborgenheit und Würde auf die Barrikaden gehen und kämpfen – durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen.


Michael Husen ist Vorstandsmitglied und Webmaster der dänischen Grundeinkommensvereinigung BIEN Danmark.

Übersetzung: Eric Manneschmidt, 04.03.2025

Quelle: https://basisindkomst.dk/frihed-tryghed-og-vaerdighed/

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