BGE_RHEIN MAIN

Bedingungsloses Grundeinkommen und psychische Gesundheit


Berichte aus Spanien und der UNO

Input von Elfriede Harth im Rahmen der Frankfurter Psychiatriewoche am 10.9.2025

Die psychische Gesundheit der Menschen verschlechtert sich weltweit. Auch auf diesem Gebiet wirkte Corona als Vergrößerungsglas. Denn schon vor der COVID Pandemie war dieses Phänomen festgestellt worden. z.B. im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise von 2008. Eine Studie der Harvard School of Public Health von September 2011, also ein knappes Jahrzehnt vor der Pandemie, schätzte, dass die direkten und indirekten Kosten der psychischen Erkrankungen von 2,5 Milliarden bis 2030 auf 6 Milliarden Dollar steigen würden. Sich also mehr als verdoppeln würden. Dass sie somit zum größten Treiber an Gesundheitskosten werden würden.

Besonders betroffen sind junge Menschen. Und bei den Erwachsenen sind es besonders Frauen. Laut der Shell Jugendstudie von Anfang 2024, haben in Deutschland 4 von 5 der 12- bis 25-Jährigen Angst vor einem Krieg in Europa. 2/3 sorgen sich um die wirtschaftliche Lage, haben Angst vor dem Klimawandel und befürchteten eine zunehmende Polarisierung und Feindseligkeit unter den Menschen.

Psychische Erkrankungen beginnen oft schon in der Kindheit. Die Uni Padua fand in einer internationalen Studie heraus, dass 1/3 der psychisch Kranken bereits vor dem 14. Lebensjahr Symptome hatten. Mit 18 Jahren waren es dann schon knapp die Hälfte und mit 25 Jahren fast 2/3.

Die Lancet Kommission für psychische Gesundheit berichtete 2024 in einer Studie, dass es sich um ein globales Problem handelt, welches vielfältige Gründe hat. Ein besonders gut belegter Grund für den Anstieg der psychischen Leiden ist Armut. So haben Kinder, die in einem Haushalt mit niedrigen sozioökonomischen Status aufwachsen, ein doppeltes Risiko psychische Störungen zu entwickeln als solche, die in einem Haushalt mit hohem sozioökonomischen Status aufwachsen. Erwerbslosigkeit der Eltern und damit verbundene Prekarität, Geld- und Zeitnot, die bei den Eltern Existenzängste, Hoffnungslosigkeit, gar Depressionen verursachen, wirken sich negativ auf die Kinder aus.

Psychische Leiden sind keine Infektionskrankheit, die über Viren oder Bakterien übertragen werden kann. Aber inzwischen sind sie fast zu einer Pandemie geworden, denn sie verbreiten sich immer mehr. Neben Armut scheinen wachsender Leistungsdruck, wachsende soziale Ungleichheit, allgemein wachsende Unsicherheit, schlechte Wohnverhältnisse, Zukunftsangst, Angst vor dem Klimawandel und der Klimawandel selbst, sich verschlechternde Arbeitsverhältnisse, gesellschaftliche Polarisierung und einhergehende Isolation, usw. die psychischen Leiden zu verursachen oder zu verstärken.

All das sind Probleme, die mit der gesellschaftlichen Entwicklung – nicht nur bei uns, sondern weltweit – einhergehen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen wirken sich also auf die psychische Gesundheit aus. Aber auch die gesundheitlichen Entwicklungen wirken sich auf die Wirtschaft aus und in diesem Fall eben genauso negativ. Es entsteht eine Art Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.

Inzwischen sind psychische Probleme der Hauptgrund für Fehlzeiten am Erwerbsarbeitsplatz. Psychische Erkrankungen verursachten 2024 17,4 % des Krankenstandes der DAK-versicherten Beschäftigten, wie die DAK im April 2025 berichtete. Als wichtigste Ursachen für Depression werden von 95% der Betroffenen Belastungen am Arbeitsplatz, von 93% Konflikte im Job und/oder mit Kollegen und von 83% die dauerhafte Erreichbarkeit genannt. (Barometer Depression 2021)

Es wird also immer dringender, etwas zu unternehmen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Nicht nur aus rein menschlichen Gründen, sondern auch aus handfesten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen.

Die Notwendigkeit der sozial-ökologischen Transformation, für die sich seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts diverse Spektren einsetzen, ich nenne nur mal den Ökofeminismus, den Antikolonialismus, die Degrowth Bewegung, die Care Bewegung, wird nun auch hier in ihrer ganzen Dringlichkeit sichtbar und benannt.

Besonders in Spanien haben sich schon seit Jahren Betroffene organisiert und Lösungen vorgeschlagen. Eine davon ist die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens.

Was versteht man unter dem BGE?

In Deutschland wird es folgendermaßen definiert:

Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Einkommen für alle Menschen,

  • das existenzsichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht,
  • auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
  • das ohne Bedürftigkeitsprüfung und
  • ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen

garantiert wird.

In Spanien wird eine etwas unpräzisere Definition verwendet, nämlich: „Ein Grundeinkommen ist eine bedingungslose Geldzuwendung des Staates an die gesamte Bevölkerung“. Diese Definition wird jedoch immer wieder ergänzt mit der Bemerkung, dass diese Geldzuwendung mindestens so hoch sein muss, dass sie über der Armutsgrenze liegt, bzw. existenzsichernd ist.

Was bezweckt das BGE?

Die Grundlagen für Demokratie zu ermöglichen. Demokratie kann nur Wirklichkeit werden, wenn in einer Gesellschaft Freiheit, Gleichheit und Solidarität herrschen.

Um frei zu sein, braucht es eine Existenzabsicherung, die Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglicht.

Gleichheit bedeutet, dass niemand mehr diskriminiert wird, weder aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Alter, etc.. aber eben auch aufgrund von Gesundheit.

Solidarität bedeutet, dass alle nach ihren Möglichkeiten zum Gemeinsamen beitragen, und die Grundbedürfnisse aller erfüllt werden.

Das BGE würde Armut bekämpfen, es würde soziale Ungleichheit reduzieren, es würde umverteilen. Da es alle bekämen, würde es entstigmatisieren. Es würde Menschen mental entlasten und ihnen ermöglichen, sich selbstbestimmt zu entwickeln.

Was tut sich in Spanien?

In Spanien wurde im September 2020 ein Manifest von psychiatrisch Behandelten, also von Betroffenen, veröffentlicht, in welchem für die Einführung eines BGEs plädiert wird.

Das Manifest prangert an, dass psychische Leiden nach neoliberaler Manier als individuelles biologisches Problem der Betroffenen definiert werden, statt sie als psychosoziale Tatsache zu begreifen und anzugehen. Das erkrankte Individuum muss sich ändern und anpassen, damit das krankmachende System weiter bestehen kann. Es werden also Pharmaka verabreicht, um die Menschen zu sedieren. Die Biologie der Personen wird „korrigiert“, und das System wird geschützt und soll sich weiter entwickeln.

Dieses System basiert darauf, dass sich Menschen über Erwerbsarbeit ihre Existenz sichern. Aber kranke Menschen werden als unbrauchbare Arbeitskräfte aussortiert und stigmatisiert. 7 von 10 psychisch kranken Personen sind vom Erwerbsarbeitsmarkt ausgeschlossen. Das verursacht Existenzangst und wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Der Konsum von Psychopharmaka steigt bedenklich. Spanien steht damit an zweiter Stelle weltweit. Die jüngere Bevölkerung ist davon – wie weltweit – besonders betroffen. Eine wachsende Hypothek für die Zukunft der Gesellschaft.

Die Einführung des BGEs würde eine erwerbsunabhängige Existenzsicherung garantieren und somit schon mal Existenzängste reduzieren. Da es alle Menschen erhalten würden, fiele auch die Stigmatisierung als Almosenempfänger weg. Menschen könnten sich Zeit nehmen um persönliche Krisenzeiten durchzustehen. Sie könnten sich krankmachenden Jobs oder Arbeitsbedingungen entziehen und sich in Ruhe um eine Integration in eine Sinn stiftende Tätigkeit bemühen.

Die gesellschaftliche Umverteilung des gemeinsam produzierten Reichtums, die der Sozialstaat bislang im Bereich der sozialen Reproduktion leitstete, funktioniert immer schlechter. Der Staat zieht sich aus den Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge immer mehr zurück und überlässt große Bereiche davon dem „freien Markt“. Man denke nur an ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen in – teilweise internationaler – Konzernhand, an die Lobby der Pharmaindustrie, gerade in der Preisbildung der Medikamente, an die Privatisierung von Krankenhäusern oder die Einführung von Kriterien der Profitmaximierung in der Verwaltung der übrigen. An die immer weitere Privatisierung und Profitorientierung des Wohnungsmarktes, die Verwahrlosung der Bildungseinrichtungen und der Infrastrukturen öffentlicher Mobilität (Bahn, ÖPNV), usw…. Somit wird Erwerbseinkommen, also der Teil des Einkommens der Mehrheit der Bevölkerung, das für die Kosten der sozialen Reproduktion aufkommt, die nicht sozialisiert (also von der Allgemeinheit getragen) werden, immer wichtiger, jedoch immer unzureichender und immer unsicherer. In Spanien leidet gerade die junge Generation unter hoher Arbeitslosigkeit (in manchen Regionen über 25%) bzw unter prekären Arbeitsverhältnissen, eines der Gründe, warum die Geburtenraten dort zu den niedrigsten weltweit gehören: 1,12 Kind pro Frau im gebärfähigen Alter, wobei gut 20 % der Geburten eingewanderten Frauen zu verdanken sind. Es wird immer schwieriger, eine Familie zu gründen.

Um die Einführung des BGEs als wirkungsvollen Lösungsansatz zu untermauern, beruft sich das Manifest auf die WHO. Ich zitiere: „Wie die WHO unterstreicht, gehören das durch Armut, prekäre Lebensbedingungen, wirtschaftliche Unsicherheit und Arbeitslosigkeit verursachte Leid zu den Hauptursachen für Erfahrungen, die als psychische Störungen, Suchtverhalten und Suizid diagnostiziert werden.“ Und das Manifest legt auch den Finger in die Wunde der Konzeption unseres Sozialstaates. Dieser finanziert sich nämlich im Prinzip aus Lohnnebenkosten. Jede formale Lohnarbeit wird mit einem Lohn abgegolten, den die Arbeitskraft ausbezahlt bekommt. Der Nettolohn. Aber prozentual zu der Höhe des Lohns kommt zusätzlich noch eine weitere Geldzahlung in die Sozialkassen. In Deutschland sind das die Krankenkasse, die Pflegekasse, die Rentenkasse und die Arbeitslosenkasse. Das ist ein Betrag von über 40% des Nettolohns, zumindest bei Löhnen, die unter der Kappungsgrenze liegen. Erwerbstätige, die über diese Kappungsgrenze verdienen, zahlen prozentual geringere Sozialbeiträge, was eine der gesetzlichen Regelungen ist, die wachsende Ungleichheit produzieren. Und dann gibt es Menschen, die nicht in die Sozialkassen einzahlen, weil sie andere Formen der Absicherung haben, z.B. Vermögen oder Privatversicherungen oder weil der Staat für sie als Beamte eben für die entsprechenden Kosten aufkommt. Oder ganz einfach, weil sie nicht (formal) erwerbstätig sind.

Doch damit nicht genug. Ein weiteres Merkmal dieser problematischen Konzeption des Sozialstaates ist nämlich die Art der Berechtigung auf Sozialleistungen. Berechtigt auf Sozialleistungen ist erst mal nur, wer in die Sozialkassen einzahlt. Ein Recht auf Rente hat nur, wer in die Rentenkasse eingezahlt hat. Und die Höhe der Rente richtet sich nach der Höhe der Einzahlungen. Wer nicht in die Rentenkasse einzahlt, weil er oder sie z.B. hauptsächlich unbezahlte, aber gesellschaftlich absolut notwendige Sorgearbeit leistet, hat eben keinen Anspruch auf Rente. Bei der Krankenkasse ist es ein wenig gerechter: alle, die Krankenkassenbeiträge zahlen, haben das gleiche Recht auf Behandlung, egal, wie hoch ihr Beitrag war. Und aus der Zeit des „Familienlohns“, als noch ein Lohn so hoch sein sollte, dass eine ganze Familie davon leben können sollte, stammt noch das Recht, dass Ehepartner:in (falls vorhanden und nicht auch selbst erwerbstätig) und Kinder (bis zu einem bestimmten Alter) ebenfalls ein Recht auf Behandlung haben, weil sie dann eben mitversichert sind.

Der Sozialstaat darf – jenseits der Sozialkassen – nicht zulassen, dass jemand verhungert, weil er oder sie keinerlei Einkommen hat. Für diese Menschen gibt es eine Sozialgesetzgebung, die vorsieht, dass sie Anspruch auf ein Mindesteinkommen haben. Dieses wird beitragsfrei finanziert. Also durch Steuern. Um es zu bekommen, müssen die Menschen ihre Armut oder ihre Bedürftigkeit (in diesem Fall ihre „ausreichend schwere“ Krankheit) nachweisen. Und das ist stigmatisierend. Besonders in einer Gesellschaft, die der Meinung ist, dass jeder seines Glückes Schmied ist und wer arm ist, eben selbst dran schuld ist. So wie dass jemand, der reich ist, das auch so verdient hat. Er war eben besonders fleissig oder intelligent oder hatte außergewöhnliche Fähigkeiten, etc… Wer jedoch arm ist, ist entweder faul, dumm oder eben krank und lebt auf Kosten der Fleissigen, Intelligenten und Gesunden.

Bekommt jedoch jede und jeder ein BGE, hört dieses Stigma auf. Das Stigma krank zu sein und das Stigma arm zu sein.

Ein BGE wäre laut Manifest außerdem ein „grundlegendes Mittel zur Förderung von Genesungs- und Empowermentprozessen…..Es würde das Spektrum der Lebensmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen erweitern – gewünschte Teilzeitjobs, Arbeitsplätze in geschützten Umgebungen, Freiwilligenarbeit, Studium, berufliche Umschulung usw. –, indem es die Grundbedürfnisse ohne sozialen Druck oder Stigmatisierung deckt.“

In einem anderen Artikel von 2024 plädiert der katalanischer Sozialpsychologe Hernán Maria Sampietro, ebenfalls für die Einführung des BGEs als eine wichtige Massnahme, um die Spirale von – wie er es nennt: „Psychopathologisierung, Medikalisierung und Chronifizierung psychischer Beschwerden zu beenden“. Er sagt: „In unserem Land funktioniert die Psychiatrisierung der psychosozialen Störungen wie eine perfekte Entlassungsmaschine, so dass sieben von zehn Psychiatrie-Erfahrenen nicht auf dem Arbeitsmarkt sind und auch voraussichtlich nicht sein werden.“ – Diese Formulierung weist darauf hin, dass das BGE Menschen ermöglicht, sich aktiv und produktiv (und ich, als Aktivistin von Care Revolution würde hinzufügen, „ganz besonders reproduktiv“) in das gesellschaftliche Leben einzubringen.

Das gegenwärtige Wirtschaftssystem zeichnet sich dadurch aus, dass ihm Menschen vollkommen gleichgültig sind. Es betrachtet sie einfach nur als Ressource zur Profitmaximierung. Entweder als Arbeitskraft, die ausgebeutet werden kann oder aber als Konsument:innen, die durch ihren Konsum, also dem Kauf der auf den Markt geworfenen Produkte und Dienstleistungen erst die Realisierung des Profits ermöglichen. Kranke und Alte, also Menschen, die dem Erwerbsarbeitsmarkt nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen, sind immer noch „etwas wert“ oder „nützlich“, solange sie konsumieren. Das können Mieten sein, die im Altersheim bezahlt werden, oder aber auch pharmazeutische Produkte, die gegen alles mögliche eingenommen werden.

Ich zitiere nochmal aus dem Artikel: „Anstatt von einer Epidemie defekter Gehirne auszugehen, sollten wir vielleicht anfangen in Erwägung zu ziehen, dass das neoliberale Projekt mit dem emotionalen Wohlbefinden der Bevölkerung, zumindest der Arbeiterklasse, unvereinbar ist. Wenn vor allem junge Menschen unter den Folgen dieser Situation leiden, so liegt das sowohl an den materiellen Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, als auch an ihrer fortschreitenden Verdrängung aus einem Lebensprojekt.“ Und er weist darauf hin, dass „Gerade um einen Paradigmenwechsel zu fördern und das biomedizinische Modell zu überwinden, die Weltgesundheitsorganisation seit 2013 ihre QualityRights-Initiative vorantreibt, die einen gemeinschaftsbasierten, genesungsorientierten, personenzentrierten und rechtebasierten Ansatz vorschlägt (Funk und Drew, 2020).“ Und er zitiert Eduardo Costas, Professor für Pharmazie an der Universität Complutense in Madrid, der 2024 feststellte: „Anstatt die Ungleichheit zu bekämpfen, betäuben wir die am meisten Benachteiligten mit Psychopharmaka“.

Immer mehr Studien belegen, dass prekäre Lebensbedingungen und soziale Ausgrenzung Entstehungsfaktoren für psychische Gesundheitsprobleme sind. Und dass andererseits Menschen, bei denen eine psychische Störung diagnostiziert wurde, mit einer größeren materiellen Unsicherheit des Lebens und einer stärkeren sozialen Ausgrenzung konfrontiert sind. Armut und soziale Ungleichheit müssen also dringend bekämpft werden. Und ein BGE bietet sich einfach an, um in diesen notwendigen Paradigmenwechsel einzusteigen.

Wieviel Leid und wieviel Kosten würde seine Einführung ersparen! Mit einem BGE würden die Probleme, die sich aus prekären Lebensbedingungen und sozialer Ausgrenzung ergeben, nicht individualisiert, medikalisiert und chronifiziert und somit entpolitisiert, sondern ihre Ursachen bekämpft. Es würden Ausgaben für Arzneimittel, die Besuche in der Notaufnahme und die Einweisungen in die Psychiatrie, die beitragsunabhängigen Transferleistungen und alle Kosten, die mit den derzeitigen Abhängigkeitskreisläufen verbunden sind, in denen psychiatrisierte und verarmte Menschen landen, drastisch reduziert. Der Sozialstaat würde somit finanziell entlastet.

Und als Care-Aktivistin würde ich noch hinzufügen: es würde ein Haufen teilweise sehr belastender, meistens unbezahlt zu leistende Carearbeit unnötig werden, die der neoliberale Staat wieder massiv in die Privathaushalte und damit vor allem auf die Frauen abwälzt. Kein Wunder, dass auch gerade bei Frauen psychisches Leid und Belastungen steigen.

Abschließend will ich noch auf einen Bericht von 2024 von Olivier de Schutter hinweisen, dem Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte der UNO. In dem kommt er zu den gleichen Beobachtungen, Schlüssen und Lösungsansätzen wie die Spanier. Armut, materielle Unsicherheit, Zukunftsangst, wachsender Leistungsdruck, Klimawandel – alles, was das gegenwärtige profitorientierte Wirtschaftssystem verursacht, wirkt sich fatal auf die psychische Gesundheit, gerade auch der jungen Generation aus, die ja vor einer bedeutend längeren Zukunft steht, als z.B. jemand wie ich, die schon auf über 70 Jahre zurückblicken kann. Auch er beschwört die Notwendigkeit des Paradigmenwechsels und sieht in der Einführung des BGEs eine wichtige Massnahme, um das schlimmste zu verhindern und den Weg hin zu einer sozial-ökologischen Transformation einzuleiten.

Unsere Initiativgruppe Bedingungsloses Grundeinkommen Rhein-Main hat diese inspirierenden Ressourcen aus Spanien und der UNO auf unserer Webseite veröffentlicht bzw verlinkt. Ich empfehle allen wärmstens, sie nachzulesen und gerne auch weiterzuleiten. Wir müssen alle begreifen, dass es 5 Minuten vor 12 ist, aber dass es mitten in diesen Polykrisen doch Ansätze und Massnahmen gibt, die den Weg da heraus weisen. Dass es einen Horizont gibt, an dem die Sonne aufgeht. Dass wir uns dorthin bewegen sollten und möglichst viele dazu einladen sollten, mitzukommen. Wir freuen uns sehr über alle, die sich weiter für das BGE interessieren und sich vielleicht auch mit uns aktiv dafür einsetzen wollen.

Die Ressourcen, die in diesem Artikel zitiert oder erwähnt wurden können hier nachgelesen werden:

Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine Lösung für den Teufelskreis aus Psychopathologisierung, Medikalisierung und Chronifizierung der Beschwerden von Hernán María Sampietro

Die Wiedererlangung von Würde und Wohlbefinden in der psychischen Gesundheit von Iñaki García Maza und Sergi Raventós

Psychisch gesund durch Grundeinkommen? von Marina Martin

Manifest der psychiatrisch behandelten Menschen für ein Bedingungsloses Grundeinkommen aus Katalonien vom 18. September 2020

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