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Anlässlich des Klimastreiks am 15.09.2023

Warum und wie Klimaschutz und das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) zusammenhängen

Erstens: Es ist evident, dass auf einem zerstörten Planeten ein BGE sinnlos und auch unfinanzierbar wäre. Aus dem Grund müssen BGE-Befürworter sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch für Klimaschutz, Artenschutz und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen allgemein einsetzen.

 

Zweitens: Es gibt gute Gründe für Klimaschützer, sich auch mit dem BGE auseinanderzusetzen und die Forderung danach mit ihrem Kampf für die Umwelt zu verbinden. Diese sind im Folgenden:

 

  1. Wer den Kopf frei hat von Sorgen um die tägliche Existenz, kann sich politisch ganz anders informieren und engagieren. Klimaschützer*innen wird immer wieder vorgeworfen, sie seien ja nur reiche Kids, die sonst nichts zu tun haben. In Wirklichkeit ist es aber der Politik vorzuwerfen, dass sie nicht dafür sorgt, dass die ganze Bevölkerung die materielle Basis dafür hat, sich politisch zu engagieren. Das BGE würde dafür sorgen, dass sich das endlich ändert.

 

  1. Wer heute in den Fossilen Industrien arbeitet und dadurch seine Existenz sicherstellt, befindet sich in einem gravierenden Interessenkonflikt bezüglich des Klimaschutzes. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes ist nicht immer so einfach möglich, meist mit Risiken verbunden. In so einer Situation sind einige verlockt, den Mythen der Klimaleugner aufzusitzen oder das Thema einfach komplett auszublenden. Und sie haben Angehörige und Freunde und politische Kräfte machen sich ihre Sache zu eigen. Mit einem BGE wird es hingegen für diese Leute kein großes Problem zu kündigen und sich in aller Ruhe neu zu orientieren. Sogar wenn sie “gar nichts” mehr arbeiten würden, wäre das ein Gewinn für die Umwelt und das Allgemeinwohl.

 

  1. Vor einem ähnlichen Problem stehen Politiker*innen in Bezug auf klimaschädliche Industrien: Von ihnen wird heute verlangt, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen, weil für den allergrößten Teil der Bevölkerung nur über Erwerbsarbeit ein Recht auf Existenz vermittelt wird. Daher lässt die Politik zu, dass Unternehmen großen Schaden anrichten, zum Teil werden diese sogar noch mit Subventionen aus Steuermitteln gefördert. Gibt es erst ein BGE, so können politische Entscheidungsträger*innen Unternehmen und ganze Branchen, die sinnlos sind oder dem Gemeinwohl, also der Umwelt, der Gesundheit, dem Klima schaden die Existenzgrundlage entziehen: Fossile Energien, Tabakindustrie, große Teile der Autoindustrie etc.

 

  1. Umweltzerstörung verursacht Kosten. Heute werden diese Kosten externalisiert, also nicht vom Verursacher des Schadens getragen. Sie werden zum großen Teil übergewälzt auf zukünftige Generationen oder/und Menschen im Globalen Süden. Eine sehr richtige Forderung der Umweltbewegung ist es, diese Kosten wieder zu internalisieren, also in den Preisen abzubilden. Fliegen, Autofahren, Heizen oder Fleisch und Milchprodukte und überhaupt alle Produkte, zu deren Herstellung fossile Energien eingesetzt werden, werden dann teurer. Heute ist das politisch nicht durchsetzbar, weil es für einkommensarme Menschen und Familien, zumal wenn sie noch auf das Auto angewiesen sind, eine krasse Härte bedeuten würde. Wenn aber alle ein BGE bekommen, sind “wahre Preise” möglich und können auch zur Finanzierung des BGEs beitragen. Wer viel Schaden verursacht, muss viel in den gemeinsamen Topf einzahlen, wer bescheiden lebt (was ärmere Menschen sowieso tun), bekommt netto etwas heraus. Das “Klimageld” der Ampel-Koalition folgt diesem Prinzip, leider wird seine Einführung offenbar von der Regierung verschleppt.

 

  1. Mit einem BGE können viel mehr Leute auch Produkte kaufen, die vielleicht im Moment noch teurer, aber ethisch weniger bedenklich als billige Produkte sind (so lange es noch keine “wahren Preise” gibt oder in Bereichen, wo sich dieses Konzept nicht umsetzen lässt). Es können auch viel mehr Leute investieren in die Energiewende, sich z.B. eine Balkonsolaranlage oder ein Lastenrad oder eine Beteiligung an einem Elekroauto leisten.

 

  1. Es ist wahrscheinlich, dass die Menschen mit einem BGE glücklicher sind, weil sie mehr Zeit und Muße haben, herauszufinden wie sie leben und wie sie sich gesellschaftlich einbringen wollen – und weil sie sich eine (bezahlte oder unbezahlte) Arbeit suchen können, die sie tun können und möchten und für sinnvoll halten. Dadurch wird voraussichtlich ein großer Teil von “Frustkonsum” nicht mehr stattfinden. Die Glücksforschung zeigt, dass gelingende Beziehungen wesentlich wichtiger sind für die Lebenszufriedenheit als das neuste Smartphone oder das dickste Auto. Das BGE versetzt die Menschen in die Lage, sich um sich und die eigenen Bedürfnisse sowie um ihre Mitmenschen und die Gemeinschaft zu kümmern (Care Revolution). Das dürfte das Verlangen nach immer mehr Ramsch drastisch senken und sich daher positiv auf Klima, Artenvielfalt und die Umwelt allgemein auswirken.

 

 

Hinzufügen könnte man:

– Mit BGE erhöht sich das Wertschätzungs- und Gleichbehandlungsgefühl in der Gesellschaft (gefühlte und reale soziale Gleichheit), welches eine Voraussetzung ist für die Akzeptanz von Umwelt- und Klimapolitik bzw. die Akzeptanz solidarischer Politiken, die nicht immer unmittelbar einem selber zugutekommen (Solidarität mit anderen, auch Entfernten).

– Mit BGE erhöht sich neben der sozialen auch die gefühlte und reale ökonomische Gleichheit. Beides würde neben dem Kompensationskonsum („Frustkonsum“, siehe 6. Punkt) auch den Statuskonsum (der einen höher auf der Leiter erscheinen lässt) reduzieren.

– Mit BGE steigen für alle Schichten/ Sozialmilieus die Freiräume zum Ausprobieren alternativer nicht-konsumtiver Lebensstile (heute machen das nur avantgardistische Gruppen).

 

 

Lesenswert zum Thema ist aktuell auch das Memorandum
Grundeinkommen als notwendiger Bestandteil einer sozialökologischen Transformation und Baustein für Klimagerechtigkeit

Eric Manneschmidt, Frankfurt, 16.09.2023

Am 01.10.23 ergänzt um Anmerkungen von Dr. Ulrich Schachtschneider

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