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Antwort des BMZ auf unser Schreiben vom 18.08.2020

Weltkarte mit Aufschrift: Ein globales BGE als Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit?

Antwort des BMZ auf unser Schreiben vom 18.08.2020

Auf unseren Brief vom 18.08.2020 an den Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit erhielten wir folgende Antwort:

Sehr geehrte Initiativgruppe,

haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail an Herrn Bundesminister Dr. Gerd Müller. Er kann Ihnen leider nicht persönlich antworten und hat mich geben, Ihnen zu schreiben.

In Ihrem Schreiben gehen Sie auf die soziale Sicherung in Entwicklungsländern ein und sprechen sich für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens aus. Die gegenwärtige Covid-19-Krise zeigt die Bedeutung funktionierender Systeme der sozialen Sicherung: Wo diese existieren, ist es rasch möglich, Hilfe zu leisten, zum Beispiel in Form von bedingungslosen Geldzahlungen, Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld. Daher liegt schon seit vielen Jahren ein strategischer Fokus der Entwicklungspolitik auf dem Auf- und Ausbau sowie der Finanzierung leistungsfähiger sozialer Sicherungssysteme. Leitgedanke der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in der sozialen Sicherung ist das international vereinbarte Ziel des universellen Zugangs zu sozialen Sicherungssystemen und sozialem Basisschutz.

Beim Auf- und Ausbau sozialer Sicherungssysteme und bei der Finanzierung verfolgt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen partnerorientierten Ansatz. Das bedeutet, das die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme und Wahl konkreter Instrumente wie eines bedingungslosen Grundeinkommens den Partnerländern obliegt. Diese müssen in den Ländern selbst politisch und gesellschaftlich ausgehandelt werden, um allgemein akzeptiert, aus eigenen Mitteln (mit-) finanziert und damit auch langfristig tragfähig zu sein. Die Vorgabe eines bestimmten Instrumentes wie eines bedingungslosen Grundeinkommens von außen sowie dessen Finanzierung durch Dritte erscheint vor dem Hintergrund dieses Grundsatzes nicht zielführend.

Überdies folgt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit einem zielgruppenorientierten Ansatz, der bewusst die Verbesserung der Lebensbedingungen und die Resilienz armer und vulnerabler Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt stellt. Demnach werden die Zielgruppen in Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit nach bestimmten Kriterien, wie beispielsweise einer besonderen Bedürftigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe wie Frauen und Kinder, informell Beschäftigte ohne soziale Absicherung, Geflüchtete usw., ausgewählt – gemäß dem Leitprinzip »Niemanden zurückzulassen« der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Das bedingungslose Grundeinkommen als Einkommen in existenzsichernder Höhe, das ohne Bedürftigkeitsprüfung und individuell an alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von deren Einkommen gezahlt wird, widerspricht diesem Grundsatz der Entwicklungszusammenarbeit.

Im Rahmen der derzeitigen deutschen Ratspräsidentschaft steht das bedingungslose Grundeinkommen nicht auf der Tagesordnung. Der Europäischen Union fehlt es aufgrund ihrer vertraglichen Grundlagen an der rechtlichen Zuständigkeit zur Einführung einer solchen Regelung. Folgerichtig ist es auch nicht möglich, dass sich die Europäische Union im internationalen Kontext dafür einsetzt, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu schaffen.

Zeitlich begrenzte, bedingungslose Geldzahlungen sind ein wichtiges Mittel, um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf besonders betroffene Menschen in Entwicklungsländern abzufedern und Existenzen zu sichern. Daher hat das Bundesentwicklungsministerium im Corona-Kontext sein Engagement zur Förderung von Geldzahlungen an Einzelpersonen bzw. Privathaushalte erheblich verstärkt. Als Teil des weltweiten Corona-Sofortprogramms stellt das BMZ zusätzliche Mittel unter anderem für Tunesien, Indien und die Sahelregion bereit. Beispielsweise finanziert das BMZ mit 12 Millionen Euro ein Sozialprogramm von UNICEF, um gemeinsam mit anderen internationalen Organisationen direkte Sozialtransfers an besonders vulnerable Familien mit Kindern in Tunesien zu vergeben. Indien wird mit kurzfristig verfügbaren Krediten von 460 Millionen Euro unterstützt. Ziel ist die verbesserte Versorgung von besonders armen Bevölkerungsgruppen durch Nahrungsmittelhilfen und Geldtransfers.

Das in Zusammenarbeit mit der Weltbank gestaltete Programm unterstützt weiterhin institutionelle Reformen zur strukturellen Stärkung des sozialen Sicherungssystems. In der Sahelregion werden 134 Millionen Euro über die Weltbank, das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen sowie das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen bereitgestellt, um durch Grundsicherung (Bargeldtransfers) die Folgen der Covid-19-Pandemie insbesondere für Frauen, Kinder sowie »neue Arme« in städtischen Ballungszentren ohne soziale Absicherung zu mindern. Zugleich wird die langfristige Stärkung der sozialen Sicherungssysteme gefördert, um in künftigen Krisensituationen rasch und zielgerichtet handeln zu können.

Die geforderte kurzfristige Fokussierung der Entwicklungszusammenarbeit allein auf den Aspekt der bedingungslosen Geldzahlung im Covid-19-Kontext ist aus Sicht des BMZ nicht zielführend. Die vielfältigen Herausforderungen der Pandemie erfordern eine breite Herangehensweise. Vor diesem Hintergrund umfasst das Corona-Sofortprogramm des BMZ neben dem Themenschwerpunkt soziale Sicherung und Sicherung von Arbeitsplätzen auch die Schwerpunkte Gesundheit und Pandemiebekämpfung, Ernährungssicherung, Sicherstellung der Grundversorgung zur Verhinderung von Hungerkatastrophen, Stabilisierung von Flüchtlings- und Krisenregionen, Absicherung von Unternehmen in Schüsselsektoren wie Textil und Tourismus, Corona-Soforthilfen zur direkten Finanzierung nationaler Programme sowie internationale Zusammenarbeit.

Ich bedanke mich im Namen von Gerd Müller für Ihr entwicklungspolitisches Engagement und dafür, dass Sie sich die Zeit genommen und an ihn geschrieben haben.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Christoph Diener

Bürgerkommunikation

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ)
Referat LK 1 – Reden und Texte

Stresemannstraße 94, 10963 Berlin
Internet: http://www.bmz.de

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