Außenpolitik und Grundeinkommen
Unsere Initiative hat zwei sich mit zwei Eingaben für die Deutsche Entwicklungszusammenarbeit eingebracht.
1. Eine Petition zur Einführung eines weltweiten BGEs wurde an den Bundestag gerichtet, die bis zum 07.10. online mitgezeichnet werden kann. Wir danken für die Unterzeichnung und Verbreitung dieser Petition.
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2020/_08/_20/Petition_114910.$$$.a.u.html
2. Einen Brief an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in dem wir für ein Corona-Krisengrundeinkommen plädieren, das Deutschland Bedürftigen in unseren Partnerländern zukommen lassen soll, um damit dort den Aufbau sozialer Sicherungssysteme anzuschieben. Hier folgt der Wortlaut des Briefes.
Herrn
Dr. Gerd Müller
Bundesminister
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Stresemannstraße 94
10963 Berlin
18.08.20
Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Müller,
wir sind eine Bürgerinitiative aus Frankfurt/Main und Umgebung, die sich im Kontext der globalen Pandemie Gedanken über die gegenseitige Abhängigkeit von Menschen und Gesellschaften unserer Einen Welt macht. Daher sind wir sehr erfreut, dass Ihr Ministerium seinen Haushalt in diesem ernsten Kontext so deutlich aufstocken konnte. Ebenso erfreut sind wird darüber, dass das Thema Gesundheit (SDG 3) jetzt besondere Priorität erhalten hat, wie wir Ihrer Webseite entnehmen konnten.
Was ist aber mit dem Ausbau der gerade jetzt so dringend benötigten sozialen Sicherung in den Partnerländern Deutschlands?
Wir schlagen Ihnen vor, ein Drittel der zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 3 Milliarden Euro, also 1 Milliarde Euro, den ärmsten Menschen direkt und individuell zukommen zu lassen. Dadurch kann die bittere Armut (SDG 1), der Hunger (SDG 2) und die Existenznot dieser am meisten auf Hilfe angewiesenen Menschen, zu denen gerade auch Kinder zählen, besonders wirksam gelindert werden. Diese individuellen Hilfen könnten auf das bisherige Engagement der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der sozialen Sicherung vor allem in Sub-Sahara-Afrika aufbauen und es deutlich verstärken. Die betroffenen Staaten sollten sich, wie es bereits in vielen Ländern der Fall ist, an der Finanzierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten beteiligen.
In Anlehnung an den kürzlich erschienen UNDP-Bericht1 plädieren wir für ein zunächst befristetes Krisengrundeinkommen für die Bedürftigsten. Dieses sollte möglichst über den Zeitraum der akuten Krise beibehalten werden, um so die Grundlage für wirtschaftliche und gesellschaftliche Partizipation von Menschen in Niedriglohnländern zu sichern.
Es gibt inzwischen einiges an experimenteller Evidenz, die unterstreicht, dass sich direkte Cash-Transfers positiv auf das Leben von Menschen in Niedriglohnländern auswirken.
Die NGO GiveDirectly finanziert beispielsweise Grundeinkommen in Kenia. Die Auszahlung erfolgt über das bekannte Mobilfunkt-Zahlsystem M-PESA, wodurch die sich aus der Digitalisierung ergebenden Chancen geschickt mit der Notwendigkeit der Stärkung sozialer Sicherungssysteme verbunden werden. Dieses Experiement wird vom Busara Center in Nairobi und einer Arbeitsgruppe um Professor Johannes Haushofer von der Universität Princeton nach höchsten Standards wissenschaftlich begleitet. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich ein Grundeinkommen kurzfristig positiv auf wirtschaftliche und psychologische Indikatoren auswirkt.2 Eine Studie zu den Langzeitfolgen ist zur Zeit in Vorbereitung.3
Der Wirtschaftsnobelpreisträger 2019, Professor Abhijit Banerjee vom MIT, hat in einem Überblickartikel Ergebnisse von Experimenten mit Grundeinkommen unter anderem aus Namibia, Indien, Sambia und Iran zusammengefasst. Auch er kommt zu dem Schluss, dass die Ergebnisse sehr ermutigend sind.4 Zu ähnlichen Schlüssen kommen auch andere Autoren, die ebenfalls Übersichtsartikel zum Thema Grundeinkommen in Niedriglohnländern verfasst haben.5, 6 Darunter ist auch eine Studie der Weltbank.7
Im April diesen Jahres hat sich zudem Kanni Wignaraja, Vize-Generalsekretärin der Vereinten Nationen, in einem Beitrag für das World Economic Forum für ein Grundeinkommen ausgesprochen.8 Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass die Regierung Südafrikas über die Einführung eines Corona-Grundeinkommens nachdenkt9 und auch die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik sich für die Einführung eines Grundeinkommens während und für die Zeit nach der Corona-Krise ausspricht.10
Wir betrachten die große Zustimmung für ein Corona-Grundeinkommen für die Ärmsten in Entwicklungsländern und die wissenschaftliche Evidenz bezüglich der Wirksamkeit solcher Grundeinkommen als eine besondere Chance für Deutschland, in diesem Bereich das Profil der Entwicklungszusammenarbeit zu schärfen.
Schließlich möchten wir anregen, dass die deutsche EU-Präsidentschaft dafür genutzt werde, auch weitere EU-Mitgliedsstaaten dazu einzuladen, dem Ausbau der sozialen Sicherungssysteme in Entwicklungsländern und direkten Zahlungen an Arme in ihrer Zusammenarbeit Priorität einzuräumen.
Wir sind überzeugt, dass ein Corona-Einkommen eine sinnvolle und notwendige Ergänzung der bisherigen Entwicklungszusammenarbeit darstellt und hoffen, dass unser Vorschlag bei Ihnen auf offene Ohren stößt.
In dieser Hoffnung grüßen wir Sie aus Frankfurt,
Elfriede Harth, Hannes Mehrer und Dr. Manuel Schiffler
für die Initiativgruppe Bedingungsloses Grundeinkommen Frankfurt Rhein-Main
Mitglied im bundesweiten Netzwerk Grundeinkommen
Mitglied im Entwicklungspolitischen Netzwerk Hessen
http://bgerheinmain.blogsport.de/
Quellen
(1) UNDP Bericht 2020 https://www.undp.org/content/undp/en/home/news-centre/news/2020/Temporary_Basic_Income_to_protect_the_worlds_poorest_people_slow_COVID19.html
(2) Haushofer and Shapiro 2016 http://www.princeton.edu/haushofer/publications/Haushofer_Shapiro_UCT_QJE_2016.pdf
(3) Egger et al., 2020
https://www.princeton.edu/haushofer/publications/Egger_Haushofer_Miguel_Niehaus_Walker_GeneralEquilibrium_2019.pdf
(4) Banerjee 2019 (Wirtschaftsnobelpreisträger 2019)
https://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev-economics-080218-030229
(5) Lehto 2019, Kapitel 2
https://static1.squarespace.com/static/56eddde762cd9413e151ac92/t/5a5f7cf053450ae87512b4ad/1516207346830/Universal+Basic+Income.pdf
(6) Standing 2019 Grundeinkommensbericht an die Britische Labour Partei
Von Guy Standing, einer der Gründungsväter des weltweiten Grundeinkommensnetzwerks BIEN: https://www.progressiveeconomyforum.com/wp-content/uploads/2019/05/PEF_Piloting_Basic_Income_Guy_Standing.pdf
(7) Gentilini (Hauptverleger) 2019 World Bank report on basic income
Blog Eintrag:
https://blogs.worldbank.org/developmenttalk/being-open-minded-about-universal-basic-income
Offizieller Bericht der Weltbank:
https://documents.worldbank.org/en/publication/documents-reports/documentdetail/993911574784667955/exploring-universal-basic-income-a-guide-to-navigating-concepts-evidence-and-practices
(8) Kanni Wignaraja, Vize-Generalsekretäring der UN und Balazs Horvath, Chef-Ökonom von UNDP, Asia-Pacific, 2020
https://www.weforum.org/agenda/2020/04/covid-19-universal-basic-income-social-inequality/
(9) Reuters 2020, Regierung Südafrikas könnte bald Grundeinkommen einführen
Noch im Jahr 2020: https://af.reuters.com/article/commoditiesNews/idAFL5N2EK4Z4
Oder dann im Jahr 2021 https://www.reuters.com/article/us-safrica-economy-universalincomegrant/south-africa-will-not-have-universal-basic-income-grant-this-year-minister-says-idUSKCN24W2WK
(10) UN Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Economic Commission for Latin America and the Caribbean, ECLAC)
https://www.cepal.org/en/publications/45544-social-challenge-times-covid-19