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Gewerkschaftsfrauen und Bedingungsloses Grundeinkommen

IGBAU-Frauen mit BGE anner

Gewerkschaftsfrauen und Bedingungsloses Grundeinkommen

Das BGE ist eine garantierte leistungsunabhängige Existenzsicherung ohne Bedarfprüfung, auf die jede Person einen Rechtsanspruch hat.

 

Über die Höhe des BGE oder seine Finanzierung besteht Diskussionsbedarf. Das sind technische Fragen, die wir in dieser Phase der Debatte nicht lösen wollen. Es geht uns zunächst darum die politische Dimension des BGE zu klären. Warum wollen wir ein BGE?

Die Diskussion um das BGE ist eine große Chance

Zentrale gesellschaftliche Institutionen (die heteronormative Familie, die Nation, etc. ) befinden sich in einem Prozeß der Wandlung oder gar Auflösung. Die Schere zwischen arm und reich öffnet sich zusehends und prekarisiert die Lebensbedingungen immer größerer Bevölkerungsgruppen. Institutionen wie Gewerkschaften, politische Parteien, das Bildungswesen, das Gesundheitssystem, der Wohlfahrtsstaat, usw. werden – in ihrer jetzigen Funktionsweise – immer obsoleter. Sie sind alle im 19 und 20. Jahrhundert enstanden, um Lösungen für Herausfordungen des Kapitalismus in seiner industriellen Gestalt zu bieten. Doch das System, in dem wir leben, rennt gegen die Wand. Es wird immer lebensfeindlicher. Denken wir nur an den Klimawandel und die Verknappung von Ressourcen, an Kriege und internationale Migrationen.

Die große Herausforderung, die sich uns stellt ist: wie können wir dieses lebensfeindliche System aushebeln? Wir müssen Ansätze ersinnen die die Grundlagen, auf denen dieses System aufgebaut ist, zerstören – oder zumindest stark destabilisieren.

Was kann eine Gewerkschaft in diesem Kontext leisten?

Eine Gewerkschaft ist eine Organisation, in der sich Menschen gemeinsam für ihre wirtschaftlichen Interessen einsetzen wollen, statt private Antworten auf soziale Herausforderungen zu suchen. Dieser Ansatz ist kostbar. Denn eine Hauptstrategie des Kapitalismus besteht darin, Individuen als Arbeitskraft für den Prozeß der Produktion zu scheinbarer Kooperation zu organisieren, aber sie gleichzeitig als Menschen für den Prozeß der Reproduktion zu vereinzeln und diese Reproduktion zu privatisieren und zu prekarisieren.

Es stellt sich die Frage: wie kann eine Gewerkschaft diesen Widerspruch zwischen Produktion und Reproduktion, die Aufspaltung von Individuen in Arbeitskraft und Mensch in ihren Analysen und Strategien überwinden?

Das BGE ist dazu ein ausgezeichnetes Instrument, weil es den Widerspruch zwischen Produktion und Reproduktion auflöst. Denn das BGE befreit von der Lohnabhängigkeit.

Welche Funktion hat der Lohn?

Lohn ist das, was Kapitaleigner und (menschliche) Arbeitskraft miteinander in ein widersprüchliches Verhältnis setzt. Das Lohnverhältnis ist das, was die Ungleichheit zwischen beiden strukturiert und überhaupt die Ausbeutung erst ermöglicht.

Das BGE ermöglicht es, Arbeit zu demonetarisieren und von ihrem Warencharakter zu befreien. Es ist ein bedingungsloses Einkommen, das von jeglicher Arbeitsleistung entkoppelt wird.

Wie Silvia Federici aufzeigt, ist Lohn ein Spaltpilz in der Gesellschaft. Er ermöglicht es, Menschen in zwei Kategorien auzuspalten, nämlich auf der einen Seite die, die einen Lohn erhalten und auf der anderen die, die keinen erhalten. Durch die Monetarisierung eines Teils der Arbeit wird der nicht monetarisierte Teil der Arbeit entwertet. Ja diese menschliche Tätigkeit verliert sogar ihren Status als Arbeit, sie wird wertlos und unsichtbar. Sie wird zu Nicht-Arbeit. Weil sie nicht gegen Geld geleistet wird, also als Ware auf dem Arbeitsmarkt verkauft und gekauft werden kann, wird sie als ökonomisch irrelevant betrachtet und taucht in keinem Bruttosozialprodukt auf. Der Begriff der Arbeit wird also stark reduziert und um einen gesellschaftlich ganz bedeutenden Anteil desselben amputiert.

In den Bereich der nicht entlohnten Arbeit gehört nämlich die Produktion der wichtigsten Ressource des Kapitalismus, die Produktion von Menschen und von Arbeitskraft.

Der Kapitalismus braucht die Arbeitskraft, um sie auszubeuten. Denn ohne Ausbeutung gibt es keine Kapitalakkumulation. Und er braucht Konsumenten für die Produkte, die für den Markt hergestellt werden.

Produktion und Reproduktion – oder: Arbeistkraft oder Mensch?

Die (Re-)Produktion von Menschen, die unter anderem, aber eben nicht nur, auch Arbeitskraft sind, wird jedoch nicht in Fabriken oder Unternehmen geleistet, sondern im Haushalt. Und hier hauptsächlich von Frauen, die dafür keine oder nur eine geringe Entlohnung erhalten.

Seit den 1970 Jahren drängen Frauen immer stärker in den Arbeitsmarkt. Sie entziehen sich zusehends der unentgeltlichen Arbeit. Als Folge davon wird ein Teil der Reproduktionsarbeit erwerbsmäßig organisiert (KiTas, Altenheime, Pflegeheime, Wäschereien, Fertiggerichte, Tiefkühlkost, Fastfood, Wegwerfgeschirr, etc.) Ein Gebärstreik findet statt und die Geburtenzahlen sinken drastisch. Die Scheidungsraten steigen. Eine sexuelle Revolution findet statt. Die Hegemonie der Heteronormativität kommt ins Wanken.

Trotz der Monetarisierung eines Teils der Reproduktionsarbeit bleibt diese überwiegend eine Sache der Frauen. Und er wird vergleichsweise niedrig entlohnt. Und der nicht monetarisierte oder nicht monetarisierbare Teil dieser Arbeit nimmt einen immer größeren Raum ein im Leben der inzwischen weitgehend lohnabhängigen Frauen. Denn zum Haushalt (und ggf. Kind, das ja täglich aus der KiTa abgeholt und versorgt werden muß) kommt auch noch die Selbstoptimierung dazu, ein immer wichtiger werdender Aspekt der privat und kostenlos zu leistenden Reproduktion als Arbeitskraft.

Warum blendet der gewerkschaftliche Arbeitskampf diesen grundlegenden Teil der Arbeit aus? Welche Interessen vertritt oder sollte eine Gewerkschaft vertreten, die von Arbeitskräften oder von Menschen? Wie könnte ihr Arbeitskampf aufhören, systemimmanent, also auf die Lohnabhängigkeit beschränkt zu bleiben, d. h. auf die Spitze des Eisbergs, und sich statt dessen subversiv auf den gesamten Arbeitsbereich ausweiten, um die Abspaltung und Unsichtbarmachung der lohnlosen Reproduktionsarbeit zu beenden und damit den gesamten Eisberg der kapitalistischen Ausbeutung anzugehen?

Wir sind überzeugt, daß ein BGE das ermöglichen würde.

Weitere Vorteile des BGE

Das BGE birgt aber noch weitere Vorteile:
– Es ist wie ein ständiges Streikgeld.
– Es ähnelt den parlamentarischen Diäten: Menschen können sich Zeit nehmen für politisches und bürgerschaftliches Engagement
– Seine Bedingungslosigkeit macht Bedarfsprüfungen überflüssig und baut Bürokratie ab
– Datenschutz wird möglich
– Es wirkt destigmatisierend, weil Nicht-Erwerbstätige nicht mehr als schmarotzende Faulenzer betrachtet werden
– Es verhindert Armut
– Es ermöglicht die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit und eine Entschleunigung des Lebens*
– Es ermöglicht die Abkehr von allen jenen Industriezweigen, die lebensfeindlich sind (Waffenindustrie, Braunkohlebergbau, etc.) aber “wegen des Erhalts von Arbeitsplätzen” weiterhin subventioniert werden
….und vieles mehr.

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*“Allerdings ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung allein, auch bei vollem Lohnausgleich zur Existenzsicherung nicht ausreichend. Da die kapitalistische Produktionsweise notwendig Erwerbslosigkeit mit sich bringt, ist eine hinreichende soziale Absicherung erforderich, die auf qualitativem hohem Niveau die menschlichen Bedürfnisses abdeckt. Dies ermöglicht Menschen, beispielweise mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sich für bestimmte Zeiträume auch bewußt für eine Auszeit aus der Erwerbsarbeit zu entscheiden”. In Gabriele Winker, Care-Revolution, Schritte in eine solidarische Gesellschaft. 2015, S. 159. Das Konzept des BGE bietet hierfür notwendige Lösungen.

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