Vorträge von Götz Werner und Johannes Stüttgen in Darmstadt am 17.4.2015
Dr. Christian J. Meier schrieb folgende Zusammenfassung der Vorträge von Götz Werner und Johannes Stüttgen, gehalten in Darmstadt am 17.4.2015, bei einer Veranstaltung des OMNIBUS für Direkte Demokratie.
Götz Werner ging zunächst auf die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen in einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft ein. Es sei ein Irrtum zu glauben, man könne von seinem Einkommen leben. „Niemand ist in der Lage, sich selbst zu versorgen“, sagte Werner. Leben könne man nur von der Arbeit anderer Menschen. Es sei außerdem ein Irrglaube, man könne im Alter von Ersparnissen leben, sagte der 71-jährige Gründer der Drogeriemarktkette dm. Es müsse Junge geben, die Produkte und Dienstleistungen erstellten. „Wir sind eine Gesellschaft von Fremdversorgten“, resümierte Werner.
Die Wirtschaft bedeute daher „Miteinander für andere tätig werden“. Davon ausgehend begründete Werner das Bedingungslose Grundeinkommen. „Wir bilden uns nur ein, das Einkommen kommt von Arbeit“. Es sei ein Missverständnis zu meinen, Arbeit könne man bezahlen: „Es ist umgekehrt: Wir brauchen das BGE, um arbeiten zu können! Wir müssen bezahlen, damit der, der arbeitet leben kann“ Es habe bei ihm lange gedauert, bis er zu dieser Erkenntnis kam. Er habe bei dm sehr viele Einstellungsgespräche führen müssen, bis der Groschen gefallen sei: „Ich muss dafür sorgen, dass der Bewerber dafür bei uns arbeiten kann.“
Werner sprach von einer „kopernikanischen Denkwende“. „Arbeit ist unbezahlbar. Bezahlen muss ich den Menschen. Also nicht die Arbeit wird bezahlt, sondern der Mensch, der sie leistet. Es sei wichtig, dies zuerst zu denken. Das BGE ergebe sich daraus als Konsequenz. Er verglich dieses Umdenken mit Christoph Kolumbus’ Entdeckung Amerikas. Auch der sei nur deshalb losgesegelt, weil er die Erde als eine Kugel dachte, nicht wie damals noch üblich als Scheibe. Erst komme das Denken, dann das Handeln.
Daraufhin zitierte Werner Friedrich Schiller wie folgt: Der Mensch ist noch sehr wenig, wenn er warm wohnt und sich satt gegessen hat, aber er muß warm wohnen, und satt zu essen haben, wenn sich die bessre Natur in ihm regen soll. Die Aufgabe sei deshalb, „Verhältnisse zu schaffen, dass sich die bessere Natur im Menschen regen kann“.
Im Folgenden ging Werner mit den derzeit herrschenden Verhältnissen ins Gericht. Man dürfe die Menschen nicht unter Druck setzen. „Sondern wir müssen die Würde des Menschen achten.“ Er betonte, dass dies im Artikel 1 des Grundgesetzes steht. „Warum lassen wir Verhältnisse zu, die die Würde des Menschen antasten?“ fragte er rhetorisch. Hartz IV sei ein „offener Strafvollzug“, schimpfte er.
„Warum leisten wir uns Armut?“, fragte er, wo doch Technologie dafür gesorgt habe, dass keine Knappheit mehr herrscht. Werner: „Das ist ein Skandal!“
Wenn viele umdenken, dann werden wir darüber lachen, zeigte er sich überzeugt. „BGE ist die Einsicht, dass jeder, der bei uns lebt, Teilhabe braucht“, so Werner. Das BGE bedeute „Geschwisterlichkeit“. „Wir brauchen das BGE, um frei sein zu können“, sagte Werner. Der Mensch brauche die Freiheit, um sich entwickeln zu können. „Anders als Tiere, die nur überleben, sind wir auf der Welt, um uns zu entwickeln. Und zwar durch das Tätigsein für andere Menschen. Der Mensch ist ein ergebnisoffenes Entwicklungswesen“, so Werner. Das BGE bedeute, es kann Sie niemand mehr erpressen oder bedrohen.
Das BGE sei aber auch eine Herausforderung an die Lebensgestaltung. „Sie werden keine Ausrede mehr haben.“ Das BGE sei erbarmungslos: „Es kommt jeden Monat“. „Sie müssen es vor Ihrem Ich rechtfertigen, warum Sie so leben, wie Sie leben.“Auf die konkrete Höhe des BGE ging Werner nicht ein. Dies sei eine Frage des gesellschaftlichen Konsens.
Zum Abschluss widmete sich Werner den häufigsten Bedenken gegenüber dem BGE. Allen voran, dem Argument, dass niemand mehr etwas tun würde. Wenn man die Leute aber frage, ob sie selbst nicht mehr arbeiten würden, verneinen sie. „Das Problem sind immer die Anderen!“ Man müsse aber dem anderen die gleiche Menschhaftigkeit zubilligen! Der andere sei ebenfalls ein geistiges Wesen, dass sich entwickelt. „Dazu braucht es BGE: Um das Bessere aus den Menschen zu holen.“
Eine weitere häufig gestellte Frage: Wer macht die Drecksarbeit? Dazu Werner: „Wir sind immer darauf angewiesen, dass andere was tun für uns“. Dafür gebe es drei Möglichkeiten: 1. Schaffen Sie attraktive Arbeitsplätze 2. Automatisierung 3 Do it yourself. Das gleiche würde auch noch gelten, wenn es ein BGE gäbe.
Der Künstler Johannes Stüttgen ging zunächst auf die Verknüpfung von Arbeit und Einkommen ein. „Es gilt als Belohnung für fleißige, angepasste Arbeit“, sagte der 70-jährige ehemalige Beuys-Schüler. Die Formulierung „Lohn“ weise auf Zwanghaftigkeit und Abhängigkeit hin. Einkommen ist aber eine Bedingung für Arbeit. Diese Einsicht ändere die innere Auffassung von Arbeit. Derzeit erlebe der Mensch Freiheit nur im Privaten. Arbeit ist immer noch unfrei. „Das Freiheitswesen verkümmert zum Privatkrüppel“, resümierte Stüttgen. Es bestehe die Gefahr, dass das „Freiheitswesen“ ausgehebelt werde. „Daher muss man Verbindung aus Arbeit und Einkommen brechen“. Der Arbeitsbegriff müsse unabhängig vom Einkommen gedacht werden.
Stüttgen erklärte die aktuellen Verhältnisse „Systemzusammenhängen“ in die sich der Einzelne verstrickt habe. „Du musst funktionieren“, fordere das System. Dies führe zu der Fehleinschätzung, ein Rädchen sein zu müssen. „Es geht nicht um Gelingen von Arbeit, sondern um das Funktionieren des Systems“, fasste er zusammen.
Es stelle sich die Fragen, wofür Arbeit eigentlich da sei und wo das Einkommen herkomme? Die Traditionelle Rollenaufteilung Arbeitgeber-Arbeitnehmer sei nicht mehr richtig. Das Einkommen könne nur die Gesellschaft als Ganzes garantieren. Es brauche daher neue Einkommensgesetze und eine neue Geldordnung.
Der Künstler sei das Vorbild für das neue Verhältnis zur Arbeit. Er tue etwas, ohne dafür etwas zu erwarten. Er setze sein Wesen ein und folge seiner Bestimmung. Das BGE ermögliche die gleiche Bedingungslosigkeit von Arbeit. Es erweitere den Kunstbegriff: Freiheit in der Arbeit selbst zu erleben.
„Wir brauchen einen Zugriff auf uns selbst“, so Stüttgen. Es gehe um „das Befreien der Freiheit, die in mir schon angelegt ist.“ Es gelte, die Welt von der Zwanghaftigkeit zu befreien, die wir selbst verursacht haben.
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Nachtrag vom 27.4.15: Mittlerweile gibt es eine Videoaufnahme von der Veranstaltung.