WENN UNSERE ARBEIT NICHTS WERT IST,
DANN KÖNNEN WIR SIE NIEDERLEGEN!
So lautet eine der Kampfparolen, die zum globalen Streik für den 8.März 2017, dem Internationalen Frauentag, aufrufen.1
Wenn alles verdreckt, der Kühlschrank leer ist, keine sauberen Klammotten mehr im Schrank liegen, in der Wohnung chaotische Zustände herrschen, das Baby nach Kacke stinkt und weint, die Kinder laut und unbeaufsichtigt im Treppenhaus spielen und herumzündeln, ein dementer Opa orientierungslos durch die Strassen irrt und von der Polizei mit Rundfunkdurchsagen gesucht wird, eine behinderte Frau nach Urin stinkt, weil sie ihre Hosen immer wieder nur über der Stuhllehne trocknen läßt, statt sie gewaschen zu bekommen, eine alte Oma stundenlang vor ihrem Bett auf dem Boden liegen bleibt, weil niemand auf ihr Rufen erscheint, usw…. dann kommt das große Empören! Wie ist das möglich!
Erst das Ausbleiben oder eben die Verweigerung bestimmter Tätigkeiten verdeutlicht, wie zentral diese sind. Erst wenn sie nicht ausgeübt werden, wird erkannt, wie notwendig sie sind. So notwendig, dass sie eingefordert werden, obwohl es für sie meistens weder Vertrag noch Bezahlung gibt. Ja, sie werden vielfach gar nicht als Arbeit angesehen, sondern als Privatsache, die nur die unmittelbar Beteiligten betrifft.
Der Staat – also die Allgemeinheit – wird in Fällen von Verwahrlosung eingreifen und Menschen bestrafen, weil sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen, sich um ihre Familienangehörigen zu “kümmern” (“Eltern haften für ihre Kinder”). Schliesslich entspricht es unserer Vorstellung vom Menschen als Mitglied der Gesellschaft, dass die Allgemeinheit die einzelnen Mitglieder – gerade auch die Schwachen – zu schützen hat.
Das positive Kümmern, das Sorgen für Andere wird allerdings so gut wie gar nicht honoriert. Es wird einfach vorausgesetzt, wie unter der Feudalherrschaft der Frondienst vorausgesetzt wurde. Es gibt dafür weder einen Lohn noch Sozialversicherung und folglich auch keine Rentenansprüche. Denn “es ist ja gar keine Arbeit”.
Arbeit – da sind sich Gewerkschafter mit Politikern, Wirtschaftswissenschaftlern, “Arbeit-Gebern” und leider auch viele “Arbeit-Nehmer_innen” einig – ist nur eine Tätigkeit, die gegen Bezahlung geleistet wird. Auf dem “Arbeits-Markt”. Wir leben ja schliesslich nicht nur in einer “Marktwirtschaft”, sondern auch noch in einer “Marktkonformen Demokratie”. Und pikanterweise wird eine menschliche Tätigkeit, die unabdingbar für das menschliche und gesellschaftliche Leben ist, die Sorgearbeit, in unserer “Arbeitsgesellschaft” nicht als Arbeit anerkannt und Menschen, die sie ausüben, fast als leichtsinnige und dumme Schmarotzer angesehen, nämlich als “von anderen abhängig” – dem Ehemann oder dem Staat – stigmatisiert. Gleichzeitig genießen solche Menschen besonders großes Ansehen, die nicht unbedingt selbst, aber dafür “ihr Geld für sich arbeiten” lassen. Wie soll denn da die Parole verstanden werden: “Leistung muss sich lohnen”?
Es wird Care-Arbeitenden, Sorgetragenden schwer fallen, am 8. März durch einen Streik ihren grundlegenden Beitrag zum gesellschaftlichen Leben sichtbar zu machen. Die Motivation für ihre Tätigkeit sind ja die Menschen, die sie versorgen. Sie möchten, dass es diesen Menschen gut geht, dass sie sie gut versorgen können. Es geht hier nicht darum, dass Maschinen still stehen und Fabrikschlote nicht mehr rauchen, ja nicht einmal, dass Züge nicht mehr rollen oder Flieger nicht mehr fliegen. Es geht darum, dass Menschen nicht in ihren Exkrementen liegen bleiben, dass sie sich geborgen fühlen, zu essen bekommen, wissen, dass jemand da ist, dem sie etwas bedeuten.
Aber soweit wir können werden wir auf die Strasse gehen und fordern, dass CareArbeit anerkannt wird in ihrer zentralen Bedeutung. Dass sie verteilt wird auf viele Schultern. Dass sich mehr Männer einbringen auf diesem Gebiet.
Wir fordern faire Rentenansprüche für pflegende Angehörige und für Menschen, die unbezahlte Haus- und Familienarbeit leisten.
Wir fordern ein existenzsicherndes Bedingungsloses Grundeinkommen, das Menschen die Freiheit geben würde, weniger ihrer Lebenszeit für einen Brotberuf verbrauchen zu müssen, um mehr Zeit für Selbstsorge und Sorge für andere zu haben.
Wir laden daher ein für den 8. März: Zusammen FAIR-CAREn wir die Verhältnisse
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- Wir streiken, denn wenn unser Leben nichts Wert ist, dann produzieren wir nicht. Wir streiken, um ein Einkommen zu fordern, dass uns ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, um aus gewalttätigen Beziehungen auszubrechen, um der Erpressung durch Prekarität zu widerstehen, denn wir akzeptieren nicht, dass jeder Augenblick unseres Lebens für Arbeit eingesetzt wird; für einen europäischen Mindestlohn, denn wir sind nicht bereit, Hungerlöhne zu akzeptieren, und auch nicht, dass eine andere Frau, meist eine Migrantin, die Haus-und Sorgearbeit erledigt für einen Dumpinglohn und ohne Absischerung; SOZIALSTAAT FÜR ALLE, organisiert gemäß den Bedürfnissen der Frauen, der uns befreit vom Zwang, immer intensiver Reproduktionsarbeit zu leisten