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ARD-Programmbeschwerde – falscher Arbeitsbegriff

Unser Mitglied Eric hat am 9.6.24 eine Beschwerde bei der ARD über die Berichterstattung in der Tagesschau eingereicht. Dabei geht es, wie auch bei den beiden Beschwerden beim ZDF (siehe hier und hier), um eine falsche, die Realität verzerrende Verwendung des Begriffs Arbeit, die eben nicht nur aus der erwerbsförmigen, sondern auch aus der unbezahlten Arbeit besteht. Wir dokumentieren die Beschwerde im Wortlaut.

Wer das möchte, kann sich der Beschwerde anschließen und oder eine selbst formulierte Beschwerde an info@daserste.de schicken.

[Nachtrag vom 11.9.24: Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass der Beitrag vom MDR war, Kontaktadresse Mima@mdr.de. Und es gibt eine Antwort vom 9.9.24, diese und unsere Reaktion darauf finden sich hier]

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich reiche hiermit förmlich Beschwerde ein gegen Ihren Beitrag https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/grundeinkommen-studie-108.html

Sie interviewen im Film den Ökonomen Clemens Fuest, ohne seine die Wirklichkeit stark verzerrenden Aussagen einzuordnen oder richtigzustellen.
Bei Minute 0:55 sagt er: "Das Problem beim Bedingungslosen Grundeinkommen ist, dass bestimmte Leute arbeiten müssen, denen nimmt man das Geld weg und man gibt es dann anderen, ohne dass sie arbeiten. Das heisst man bezahlt die Leute fürs Nichtstun und nimmt Leuten Geld weg, die arbeiten."

Wie Sie sicherlich wissen und Herr Fuest als Ökonom auch wissen müsste, werden in Deutschland mehr Arbeitsstunden unbezahlt geleistet als bezahlt (siehe die aktuelle Zeitverwendungsstudie). Die Behauptung, dass Menschen, die keine Erwerbsarbeit leisten, "nicht arbeiten" würden, ist daher einfach falsch. Richtig ist, dass die unbezahlte Arbeit überwiegend von Frauen geleistet wird und daher oft in der männlich dominierten Wirtschaftswissenschaft - wie auch in den Medien - ignoriert wird. Richtig ist aber auch, dass ohne diese unbezahlte Arbeit (Haus- und Sorgearbeit, aber auch politisches, soziales, kulturelles Engagement etc.) es keine "Wirtschaft", keine Erwerbsarbeit und auch keine Demokratie geben könnte. Deswegen ist die Verachtung, die Herr Fuest dieser Arbeit und jenen, die sie machen, entgegenbringt nicht nur dumm und unangemessen, sondern auch eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Fortschritt, für Demokratie und Wohlstand.

In dem ganzen Beitrag in den folgenden Minuten verwendet Herr Fuest "arbeiten" ausschließlich in Bezug auf Erwerbsarbeit. Abgesehen von dieser Verdrehung und Verkürzung wäre es auch wichtig festzuhalten, dass nicht jede Erwerbsarbeit zum Wohlstand oder Gemeinwohl beiträgt. Es gibt durchaus sinnlose und sogar schädliche Erwerbsarbeit, beispielsweise in der Tabakindustrie oder den Fossilen Energien.[1] Es ist also sowohl ethisch als auch ökonomisch höchst fragwürdig, die Menschen auf Teufel komm raus in Erwerbsarbeit zu zwingen.

Bei Minute 1:58: "Aber dabei wird vergessen, dass irgendjemand ja dieses Einkommen erarbeiten muss."
Es ist in Wirklichkeit Herr Fuest, der vergisst, dass andere ("irgendjemand") im Hintergrund durch unbezahlte Arbeit dafür sorg(t)en, dass er überhaupt erst in die Lage versetzt wurde und wird, erwerbstätig zu sein, dass er (noch) in einer Demokratie leben kann, dass er im Notfall (von der Freiwilligen Feuerwehr) aus seinem Fahrzeug geschnitten wird usw.[2]

2:04 "Bedingungsloses Grundeinkommen: Das ist leben auf Kosten anderer. Und das ist wirklich das allerletzte was wir brauchen."

Siehe oben.

4:15 "Ich muss auch sagen, ich finde das ethisch fragwürdig, dass man sagt, wir erheben es zum Prinzip in der Gesellschaft, dass wir nicht für uns selbst vorsorgen. Wir sind nicht für uns selbst verantwortlich, sondern wir sind vom Staat abhängig. Diese Selbstständigkeit aufzugeben, finde ich unwürdig."

Fuest verbreitet hier einen vollkommen verqueren Würdebegriff. Wir Menschen sind eine hoch kooperative Spezies und IMMER von anderen abhängig. Das Bedingungslose Grundeinkommen wird ja von allen gemeinsam erwirtschaftet, der "Staat" organisiert es nur. Niemand von uns ist autark und "sorgt alleine für sich selbst". Es ist keineswegs ethisch fragwürdig, das anzuerkennen, es ist vielmehr fragwürdig, so zu tun als wäre man unabhängig von anderen, während man faktisch ganz hemmungslos die Leistungen der Gesellschaft und von unbezahlt Arbeitenden in Anspruch nimmt.[3]

Im Sinne Ihres journalistischen Auftrages wäre es Ihre Aufgabe gewesen, die kruden Aussagen von Herrn Fuest einzuordnen und die Zuschauenden über die Tatsachen bezüglich der Arbeit in Deutschland aufzuklären.
Bitte halten Sie mich über den Fortgang der Beschwerde auf dem Laufenden.

[1] Der Ökonom Günther Moewes setzt den Anteil sinnloser oder schädlicher Erwerbsarbeit mit 40-60% an, siehe hier.

[2] Siehe z.B. Standpunkt "Arbeit sollte nicht zum Götzen werden" von Dr. Juliane Eckstein

[3] Siehe dazu auch den Offenen Brief von Dr. Ina Praetorius an Antonio Guterres: "Den Geist der Brüderlichkeit überwinden"


Mit freundlichen Grüßen
Eric Manneschmidt
9.6.2024, Frankfurt am Main

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