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CARE REVOLUTION

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CARE REVOLUTION

von Elfriede Harth

Die Veränderungen unserer Gesellschaft haben ein Stadium erreicht, das als allgemeine Krise diagnostiziert wird. Das ganze System ist davon betroffen, so wie auch die einzelnen Menschen. Denken wir nur an die Schlagworte „Finanzkrise“, „Klimawandel“, „Burnout“.

Die Veränderungen scheinen unausweichlich zu sein. Sie haben eine eigene Dynamik entwickelt. In vielen Menschen wecken diese Veränderungen Ängste, weil sie sie als bedrohlich empfinden uns sich ihnen wehrlos ausgeliefert fühlen. Es gibt aber auch immer mehr Menschen, die diese Ohnmacht zu überwinden und die Veränderungen und die Dynamik dahinter zu verstehen suchen, um gestaltend in den Prozess der Veränderung einzugreifen. Dazu gehören z.B. FeministInnen.

 

Care_Sozialforum

 

FeministInnen sehen den Menschen als Mittelpunkt ihrer Interessen, Sorgen und Arbeit. Sie gehen davon aus, dass auch die Menschen vollwertige und gleichberechtigte Menschen sind, denen das hegemoniale, also herrschende System, dessen Krise sich ja nicht mehr leugnen lässt, diese Vollwertigkeit und Gleichberechtigung abspricht. Und das sind zunächst mal die Frauen. Aber in einem zweiten Schritt auch alle anderen, die nicht der hegemonialen Norm des weißen, gesunden, erwachsenen, formal gebildeten, reichen, eine Führungsposition innehabenden, heterosexuellen Mannes entsprechen. FeministInnen sind also Menschen, die die Gesellschaft so verändern wollen, dass alle Menschen ihr Menschsein voll entwickeln und ein gutes Leben haben können.

Was läuft denn falsch in unserer Gesellschaft und wie muss es geändert werden, damit diese Ziele Wirklichkeit werden?

Unsere Gesellschaft ist so organisiert, dass eine Minderheit die Kontrolle über immer größere Ressourcen hat. Sie schöpft einen unverhältnismäßig großen Teil des von allen produzierten Reichtums ab, während die Mehrheit mit einem immer kleineren Anteil des Kuchens abgespeist wird. Es gibt also ein Verteilungsproblem. Was manche soziale Ungerechtigkeit nennen.

Unsere Gesellschaft ist weiterhin so organisiert, dass nicht der Mensch und sein Wohlergehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, sondern der wirtschaftliche Profit. Zwar haben wir – noch – einen Sozialstaat, der einen Teil der größten Härten der ungerechten Verteilung auffängt. Aber die Zuweisung dieser Staatsleistungen wird immer mehr davon bestimmt, dass sie der Produktion von Profit nutzen. Menschen, die in Zukunft vielleicht als Arbeitskräfte gebraucht werden, sollen für den Arbeitsmarkt ausgebildet und dafür kann Geld bereitgestellt werden. Aber Alte und Kranke, die keine Verwendung mehr finden auf dem Arbeitsmarkt, haben höchstens noch einen Wert als Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Der Markt als Ort, auf dem der erwirtschaftete Profit realisiert werden kann, weil Produkte und Dienstleistungen gegen Geld eingetauscht werden, ist also Maßstab und Mittelpunkt der Politik als Gestalterin der Wirtschaft in unserer Gesellschaft. Alles andere ist unwichtig, zweitrangig oder wertlos.

Feministinnen erinnern jedoch daran, dass Wirtschaft nicht mit Markt gleichzusetzen ist, sondern in Wirklichkeit alles das einschließt, was die Bedürfnisse der Menschen befriedigt. Und viele menschliche Bedürfnisse werden nicht gegen Geld auf einem Markt befriedigt, sondern (sehr oft) unentgeltlich in Beziehungen zu anderen Menschen. Aber auch das ist Wirtschaft. Und ohne diesen Teil der Wirtschaft würde der Markt, auf dem Waren und Dienstleistungen gegen Geld getauscht werden, über kurz oder lang zusammenbrechen.

Dieser grundlegende Bereich der Wirtschaft wird jedoch in einem auf Profit ausgerichteten System unsichtbar gemacht, es sei denn es gelingt, Teile davon in Waren zu verwandeln, die dann gegen Geld auf dem Markt getauscht werden können. Aber diese Bereiche, z.B. das Gesundheitswesen oder der Bildungssektor, bleiben nach wie vor sehr personalintensiv, und die einzige Art, Profit zu erwirtschaften, besteht dann darin, sehr niedrige Löhne und Gehälter zu zahlen und Personal und Leistungen auf ein Minimum zu reduzieren. D.h., durch die Einbindung dieser Dienstleistungen in den Markt verliert der Mensch seinen Platz als Mittelpunkt des Unternehmens zugunsten des zu erwirtschaftenden Profits.

CARE betrifft genau diesen Bereich der Wirtschaft, bei dem es in erster Linie darum geht, grundsätzliche menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Z.B. überhaupt erst mal gezeugt und geboren zu werden, großgezogen, sprechen zu lernen, den Hintern abgeputzt zu bekommen, bis man auf diesem Gebiet autonom wird, sich als Teil der menschlichen Gattung zu fühlen, Zärtlichkeit, Trost, Geborgenheit zu erfahren, im Falle von Krankheit gepflegt zu werden, Grenzen gesetzt zu bekommen, damit man im Straßenverkehr überlebt, ein Dach über den Kopf zu erhalten sowie saubere Wäsche, eine tägliche warme Mahlzeit, usw… CARE betrifft aber auch die Pflege menschlicher Beziehungen in Familie, Freundschaft, Kirchengemeinde, Turnverein, etc… der unentgeltliche Einsatz für bürgerschaftliche Belange, die eine Gemeinschaft von Menschen besser machen sollen…. usw…

Warum CARE-REVOLUTION?
Weil die anstehende Veränderung der Gesellschaft so gestaltet werden soll, dass der Mensch wieder zum Mittelpunkt von Politik und Wirtschaft und das gute Leben für alle Wirklichkeit wird. Und da CARE, also Sorge-Arbeit bereits den Menschen in den Mittelpunkt stellt und daher über das größte Knowhow verfügt, wie der Mensch Mittelpunkt von Wirtschaft und Politik werden kann, haben die Menschen, die in diesem Sektor arbeiten, die besten Voraussetzungen, den Weg in diese Zukunft zu weisen.

Es geht also darum, dass die, die in diesem Sektor aktiv sind, zusammen mit vielen von denen, die von ihrer Arbeit profitieren (und das sind eigentlich alle Menschen!), Care Arbeit sichtbar machen, damit eine Umwertung unseres Denkens stattfinden kann, die auf eine gerechtere Umverteilung der vorhandenen Ressourcen hinausläuft. Damit gestalten wir eine inklusivere Gesellschaft, in der endlich der gesellschaftliche Wert der verschiedenen grundlegend notwendigen menschlichen Tätigkeiten (was auch als Reproduktionsarbeit bezeichnet wird) anerkannt wird, sowie dass diese Tätigkeiten Arbeit sind. In der überhaupt der Begriff von Arbeit neu definiert wird. In der erkannt wird, dass Arbeit und monetäres Einkommen keinen notwendigen Zusammenhang haben und daher besser als zwei voneinander getrennte Konzepte behandelt werden sollten.

P.S.
Die Initiativgruppe Bedingungsloses Grundeinkommen Frankfurt Rhein-Main ist übrigens Mitglied im Care Revolution Netzwerk.

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