UmCARE! Sozialpolitischer Thementag zur Sorgearbeit –
19.11.2016 im Haus am Dom
“In einem reichen Land wie Deutschland muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass jeder Mensch ausreichend finanzielle und zeitliche Ressourcen hat, um ein Leben in Würde führen zu können. Um für sich selbst und für andere zu sorgen.” erklärt Prof. Dr. Gabriele Winker, Initiatorin des bundesweiten Netzwerks Care Revolution. “Es muss selbstverständlich sein, dass jede Person selbst entscheiden kann, in welchem Umfang sie für Freund_innen und Angehörige sorgt, ohne dadurch übermäßige Einschränkungen und Belastungen tragen zu müssen.” Doch leider ist das nicht gegeben. Im Gegenteil, auch und gerade in der Sorgearbeit spitzt sich die Krise immer mehr zu.
Das muss und das kann sich ändern, wie ein Sozialpolitischer Thementag zur Sorgearbeit am 19.11.2016 im Haus am Dom aufzeigen will. Zusammen mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, dem kath. Bildungswerk, der kath. Akademie Rabanus Maurus und dem Cornelia Goethe Centrum der Goethe Universität hat die Initiativgruppe Bedingungsloses Grundeinkommen Frankfurt Rhein-Main, Gründungsmitglied des Regionalnetzwerks Care Revolution Rhein-Main, unter dem Titel UmCARE diesen Thementag organisiert. Ziel der Veranstaltung ist es, ein Umdenken in der Zivilgesellschaft und bei den politischen Entscheidungstragenden anzustoßen über Bedeutung und Wertschätzung von Sorgearbeit.
Viele Menschen leben an der Armutsgrenze, ohne ausreichenden Wohnraum. Sie leben unter Zeitstress, können viele Fähigkeiten nicht entwickeln und leiden an Erkrankungen, die durch Überlastung und Armut verursacht sind. Insbesondere Menschen mit hohen Sorgeaufgaben gegenüber Kindern oder unterstützungsbedürftigen Freund_innen und Angehörigen fehlen zeitliche und finanzielle Ressourcen. Ihnen droht (Alters-)Armut. Ihre Arbeit wird nicht gebührend wertgeschätzt. Als Erwerbsarbeit ist Sorgearbeit weitgehend unterbezahlt und muss unter immer schlechteren Bedingungen geleistet werden.
Nun ist Wirtschaft entgegen landläufiger Meinung nicht (nur): Märkte, Bruttosozialprodukt und Erwerbsarbeitsplätze. Wirtschaft umfaßt vielmehr alle Tätigkeiten, die notwendig sind, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Dazu gehören auch Putzen, Kochen, Waschen, Kinderbetreuen, Kranke und Alte pflegen, Behinderte unterstützen, sich gesellschaftspolitisch für das Gute Leben für Alle einzusetzen. Diese Aufgaben müssen ins Zentrum der wirtschaftspolitischen Agenda gerückt werden. Sie müssen, weil unverzichtbar für unser Wohlbefinden, gebührend wertgeschätzt werden. Da Menschen auf gegenseitige Unterstützung angewiesen sind, muss Solidarität gesellschaftlich organisiert werden. Fürsorglichkeit und Beziehungsarbeit müssen heute unabhängig von traditionellen Geschlechterbildern neu bewertet und neu gestaltet werden. Die erwerbsförmig organisierte Sorgearbeit darf nicht der Profitlogik unterworfen werden, denn es geht um den Menschen, nicht um Produktion von Waren.
Ziel von Politik dürfen nicht Profit und “Wirtschaftswachstum” sein, sondern das Wohlbefinden der Menschen. Eine große UmKEHR/UmCARE muss stattfinden, damit die weltweit wachsende Existenzangst und das Unbehagen an unseren Lebensbedingungen nicht immer größere Bevölkerungsgruppen ergreifen. Wir brauchen eine Care-zentrierte Ökonomie. Und wir brauchen ein Bedingungsloses Grundeinkommen.
Im ersten Teil des Tagung wird Prof. Dr. Ingrid Kurz-Scherf eine Diagnose der gegenwärtigen Situation skizzieren, die in Workshops zu Flucht, Pflegenotstand und Ausbeutung in der häuslichen Betreuung vertieft werden. Im zweiten Teil wird Prof. Dr. Gabriele Winker Perspektiven aufzeigen, wie wir diese Krise überwinden können. Einige davon werden ebenfalls in Workshops thematisiert werden, nämlich das Bedingungslose Grundeinkommen, neue Wohnformen, die das Miteinander fördern, der gewerkschaftliche Kampf um Qualifizierung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen im erwerbsförmig organisierten Care-Bereich, die konkrete Vernetzung der Betroffenen vor Ort.
Eine Dokumentation der Tagung hier zu finden.